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Mehr als nur Bits und Bytes

Digitalisierung in der Wasserwirtschaft

Wasserversorgungsunternehmen stehen derzeit vor diversen Herausforderungen – Starkregenereignisse, Dürreperioden, Fachkräftemangel, bürokratische Hürden, IT-Sicherheit oder gestiegene Anforderungen der Kunden sind hier nur ein paar Beispiele. Es kristallisiert sich heraus, dass einige Versorger in den letzten Jahren Maßnahmen zur Modernisierung und Digitalisierung getroffen haben und aktuell der Situation gelassener entgegentreten als viele andere. Somit stellt sich die Frage, warum die Mehrzahl der Unternehmen sich eher zögernd neuen Möglichkeiten öffnet, wobei das Angebot vorhanden ist und rasant wächst. 

Die Branche ist in den letzten Jahren geballt mit einer Vielzahl von digitalen Angeboten und neuen Technologien diverser Dienstleister und Hersteller konfrontiert worden. Bei der Masse und Komplexität des Angebots wirkt dies schnell undurchsichtig und überfrachtet – gerade, wenn Wasserversorger sowieso schon mit diversen Herausforderungen zu kämpfen haben.  

Nichtsdestotrotz hat die Digitalisierung der Wasserwirtschaft in den letzten Jahren einen deutlich höheren Stellenwert bekommen. Kein Wasserversorger oder Industrieunternehmen in diesem Bereich beschäftigt sich nicht auf die ein oder andere Weise mit dem Thema. Der Einsatz digitaler Technologien hat Einfluss auf alle Wertschöpfungsstufen der Wasserversorgung – von der Rohwassergewinnung bis zur Abrechnung.

Dabei kann dies in drei Ebenen eingestuft werden: Die Produktebene, Prozessebene und Organisationsebene. Vor allem letztere muss im Rahmen der digitalen Transformation an Bedeutung gewinnen. Digitalisierung ist mehr als Bits und Bytes und bedarf umfassende Ansätze mit dem Menschen im Mittelpunkt.  

Datum: 05.02.2024 | Lesezeit: 10. Min.

Die Produktebene

Auf der Produktebene sind es vier Hauptelemente, die es zu betrachten gibt: Wasserzähler, Übertragungstechnologien, Stromversorgung und die übergeordnete IoT-Security.   

Wasserzähler

Mechanische Wasserzähler sollten, wenn noch im Einsatz, in den Varianten eingebaut werden, die bereits über eine Impulsschnittstelle verfügen oder nachträglich mit Funk- oder Impulsschnittstellen ausgerüstet werden können, z.B. der Itron Aquadis+.  

 

Itron Aquadis+ mit aufgesetzter Impulsschnittstelle 

Aktueller Stand der Technik sind elektronische Wasserzähler mit Ultraschall oder magnetisch-induktiv als Technologie zur genaueren und langzeitstabilen Volumenmessung. Neben der hochwertigeren Messung bieten elektronische Wasserzähler noch weitere Vorteile, z.B. Messung von Vorwärts- und Rückwärtsvolumen, Alarmmeldungen (Trockenlaufen, Dauerdurchfluss, Maximaldurchfluss, Medientemperatur, usw.). Die Zähler haben meistens auch die Möglichkeit der Funkübertragung in den unterschiedlichen Technologien und Formaten. Beispielsweise offene Standards wie M-Bus und wM-Bus nach OMS (Open Metering System) inklusive unterschiedlicher Sicherheitsverschlüsselungen, aber auch herstellerspezifische Technologien, wie z.B. Sensus RF, welche größere Übertragungsreichweiten ermöglicht. In den letzten Jahren kamen noch weitere LPWAN-Technologien (Low Power Wide Area Networks) wie LoRaWAN, Nb-Iot oder Mioty dazu.  

Übertragungstechnologien

Die Daten können unterschiedlich an die Server übertragen werden. Direkt vom Wasserzähler (Nb-IoT), per Walk-by/Drive by (hier liest man die Zähler, meist per wM-Bus im Vorbeigehen oder Vorbeifahren aus) oder in einem sogenannten Fixed Network, in dem die Daten durch fest installierte Gateways (z.B. iQ wM-Bus Bridge) gesammelt werden und dann, z.B. über Nb-IoT oder LoRaWAN an die Server gesendet werden. Dabei hat sich LoRaWAN in den letzten Jahren als eigens aufgebautes Netzwerk häufig aus Kostengründen vielfach etabliert. Die Kosten für Nb-IoT oder LTE-Technologie sind mittlerweile jedoch so weit gesunken, dass ein eigenes Netzwerk nicht mehr unbedingt auch vergleichsweise geringere Kosten bedeutet. Hier ist bei den einzelnen Versorgungsgebieten jeweils eine Analyse notwendig, um zu schauen, welche Technologie in welchem Bereich die sinnvollste ist. In den meisten Fällen wird wahrscheinlich ein Mix aus mehreren Übertragungstechnologien eingesetzt. 

Bei den Übertragungstechnologien gibt es viele Möglichkeiten, Daten zu senden. Da ist zum einen, jedoch eher im privaten Umfeld, die Möglichkeit der WiFi-Übertragung, bei der die Daten über das Internet an die entsprechenden Server gesendet werden. Im vorhandenen Mobilfunknetz gibt es die Möglichkeit, die Daten per 4G, 5G, Nb-IoT und als Fallback per GSM zu übertragen. Die Auswahl der geeigneten Technologie hängt von den lokalen Gegebenheiten und dem Anwendungsfall, insbesondere Datenmenge und -häufigkeit, ab. Das neue 450 MHz Netz basiert auf der LTE-Technologie und soll bis 2025 in Deutschland vollständig ausgerollt werden. Es eignet sich besonders für die Übertragung ausfallkritischer Daten, da hier eine hohe Verfügbarkeit garantiert werden kann. 

Der Aufbau oder die Nutzung eines eigenen LPWAN Netzwerkes wie LoRaWAN, teilweise Sigfox (französischer Anbieter) oder neuerdings auch Mioty (als Weiterentwicklung von LoRaWAN) ist eine weitere Option. Wichtig ist bei allen Möglichkeiten, dass die Daten abgesichert und verschlüsselt übertragen werden. 

Nicht zu vernachlässigen sind auch die Endpunkte der Datenübertragung - wo werden die Daten gesammelt, gespeichert und für die weitere Nutzung aufbereitet? Hier gibt es sehr sichere Lösungen wie z.B. das iQ water system oder die IoTree Lösung. Das Konzept muss als Gesamtlösung von Anfang (Zähler) bis zum Ende (z.B. Abrechnung) betrachtet und umgesetzt werden. 

Stromversorgung

Ein besonderes Augenmerk ist auf die Stromversorgung der IoT-Geräte zu richten. Zähler laufen meist mit fest eingebauten Batterien, die - abhängig von der Sendehäufigkeit und Datenmenge - eine Nutzungsperiode halten. Vorteil ist hier auch die Ortsunabhängigkeit und dass sie manipulationssicher im Gehäuse integriert werden können. Ausgeführt als Akkumulator können diese auch nachgeladen werden, wenn es im Anwendungsfall sinnvoll ist. Nachteilig ist, dass dauerhaft nur geringe Ströme möglich sind, denn z.B. für die Stellung von elektromechanischen Ventilen werden große Batteriepakete benötigt. Auch die Sendefrequenz und Datenmenge ist begrenzt. 

Ein fester 230V-Stromanschluss dagegen eignet sich für Anwendungsfälle mit hohem Strombedarf durch hohe Sendefrequenzen oder Datenmengen, aber auch zum Betrieb weiterer Infrastruktur. Zudem gibt es keine Laufzeitbeschränkung. Nachteilig ist dagegen die Ortsbindung und dass Stromanschlüsse nicht überall wirtschaftlich hergestellt werden können. 

IoT-Security

Intelligente Messgeräte bzw. IoT-Anwendungen ermöglichen alternativlos die Digitalisierung der Netzinfrastruktur, bergen aber auch ein Gefahrenpotenzial. So sind kommunizierende und steuernde Komponenten in Versorgungsnetzen, besonders im Bereich der kritischen Infrastruktur, attraktive Einfallstore für Angreifer. 

Ebenso handelt es sich bei abrechnungsrelevanten Zählerdaten um persönliche Daten im Sinne der DSGVO, welche besonders schützenswert sind. Weiterhin gelten im Bereich kritischer Infrastruktur besondere Sicherheitsvorschriften, welche unter anderem eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung der Datenübertragung vorschreiben. Dabei präferiert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) das TLS-Verschlüsselungsprotokoll. TLS ist ein Verschlüsselungsprotokoll, welches zur Absicherung der Übertragung von Daten im Internet eingeführt wurde. LoRaWAN erfüllt diese hohen Anforderungen standardmäßig nicht. 


Der hohe Energieverbrauch bei der Umsetzung von TLS führt zur Abnahme der Batterielebensdauer und beeinträchtigt damit die wirtschaftliche Eignung. Verschiedene Universitäten forschen an geeigneten Lösungen und haben in den letzten 15 Jahren große Fortschritte darin gemacht, Kryptographie für batteriebetriebene und rechenschwache Geräte zu realisieren. 

Auf diesen Grundlagen haben IoT-Sicherheitsexperten der Ruhr Universität Bochum Lösungen entwickelt und durch die Ausgründung der PHYSEC GmbH im Jahre 2016 auf den Markt gebracht. Gemeinsam mit dem Wasserzähler-Hersteller Kamstrup und der Gelsenwasser AG wurde daraufhin ein Konzept entwickelt, das eine BSI-konforme Anbindung von Wasserzählern, selbst im KRITIS-Bereich, ermöglicht. 

Für die Energie- und Wasserwirtschaft existiert so eine den BSI-TLS-Anforderungen konforme DTLS-Lösung inklusive Integrationsleistungen für LoRaWAN und NB-IoT/LTE.  Das ganzheitlich sichere Konzept beinhaltet zudem PHYSECs sichere IoT-Plattform IoTree, mit der Versorger die volle Kontrolle über die eigenen Daten behalten. 

Prozesse und Organisation

Prozessebene

Auf der Prozessebene können durch digitale Möglichkeiten die Prozesse verbessert, vereinfachet und kostengünstiger gestaltet werden. Aber nicht nur die Wirtschaftlichkeit sollte bei dem Gedanken im Vordergrund stehen.  

Unter Anbetracht des bereits existierenden Fachkräftemangels, der sich in den kommenden Jahren noch enorm intensivieren wird, können und müssen digitale Technologien eingesetzt werden, um Unternehmen langfristig zu sichern. Dies insbesondere bei kosten- und zeitintensiven Prozessen und Tätigkeiten wie der Zählerauslesung oder Dokumentationen. Damit diese Prozesse bis dahin sicher aufgebaut sind und problemlos laufen, ist es notwendig, jetzt mit der Digitalisierung zu beginnen. Die Digitalisierung ist hier kein trendiges Nice-to-Have, sondern ein Must-Have, um die Infrastruktur langfristig zu sichern. 

Beispiele für die Digitalisierung von Prozessen sind unter anderem die Zählerfernauslesung, in dem kein Personal oder deutlich weniger benötigt wird, um die jährliche Ablesung und Abrechnung durchzuführen, da die Daten direkt von den Zählern übertragen und in die benötigten Systeme eingebunden werden, damit die gesamte Abrechnung mit dem Kunden automatisch läuft. 

Ein weiteres Beispiel ist die Durchführung und Dokumentation von notwendigen Armaturenwartungen, z.B. die jährliche Hydrantenwartung. Dieser Prozess kann durch heute schon verfügbare Lösungen, wie z.B. Waterloo Control deutlich vereinfacht und im Aufwand verringert werden. 

Es existieren beispielsweise auch schon Komplettlösungen, um das Standrohrmanagement zu digitalisieren. Damit werden aufwändige manuelle Prozesse wie die Dokumentation, das Vertragsmanagement oder die Buchung der Standrohre seitens der Kunden automatisiert. 

Organisationsebene

Die Digitalisierung bietet für alle Ziele der Wasserversorgung enorme Potenziale. Sie kann sich positiv auf Sicherheit, Qualität, Kundenzufriedenheit und -service, Nachhaltigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit auswirken. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die Verfügbarkeit der Technologien und die Umstellung von Prozessen über den Erfolg entscheiden, sondern ein Kernfaktor dieser digitalen Transformation die Schaffung der organisatorischen Rahmenbedingungen und die Etablierung der passenden Unternehmenskultur sind – bei denen der Mensch im Vordergrund steht. 

Die Digitalisierung wird unser Arbeitsleben grundlegend verändern. Wir werden neue Aufgaben und Funktionen erlernen und übernehmen. Das erfordert auch ein neues Arbeitsverständnis. Neben der Digitalisierung sind es auch gesellschaftliche und politische Einflüsse, vor allem auch die Krisen, die gezeigt haben, dass es nicht mehr so funktioniert wie wir es gewohnt sind. Unternehmen müssen sich schnell anpassen können und flexibler werden, um sich auf neue Situationen einzustellen. Viele Beschäftigte, die schon jahrelang für ein Unternehmen tätig sind, sind an bestehende Aufgaben und Prozesse gewöhnt – das hat doch immer schon so funktioniert, wieso sollte sich auch etwas ändern?  

Diese Veränderung der Arbeitswelt geht bei den meisten Angestellten zunächst mit Ablehnung, Angst und Verständnislosigkeit einher. Wie schafft man es also hier, eine Unternehmenskultur und Organisation zu entwickeln, die die Rahmenbedingung für eine erfolgreiche digitale Transformation bildet? 

Ganz klar: Ein Patentrezept dafür gibt es nicht. Jedoch existieren Ansätze und Methoden, mit denen diese Basis geschaffen werden kann. 

Ein Kernfaktor ist die Organisationsstruktur. Viele Unternehmen sind immer noch streng hierarchisch organisiert. Durch eben diese Veränderungen ist heutzutage allerdings ein Paradigmenwechsel zur Auflösung dieser starren Systeme notwendig. Somit spielt die Entwicklung einer agilen Organisationsstruktur eine wichtige Rolle. In agilen Strukturen gelten andere Werte und Prinzipien als in klassischen hierarchischen Strukturen. Wir bewegen uns weg von Top-Down, Kontrolle, festen Regeln und Rollen sowie Prozessorientierung hin zu Transparenz, offener Kommunikation, Flexibilität und Eigenverantwortung. 

 

Der Unterschied zwischen hierarchischen und agilen Strukturen 

Agile Organisationen arbeiten in kleinen, sich selbst organisierenden und autonomen Teams. Eine Reihe unterschiedlicher Arbeitsmethoden hilft dabei, Agilität im Unternehmen zu etablieren und für flexiblere Arbeitsprozesse zu sorgen. So können Organisationen schnell auf sich verändernde Umgebungen reagieren. Jedoch ist eine agile Organisation nicht die Lösung aller Probleme und passt auch nicht in jedes Unternehmen.  

Die Firma BEULCO hat zum Beispiel ein eigenes Modell der zwei Betriebssysteme entwickelt. Sie kombiniert die klassische hierarchische Organisation mit der agilen Organisation, um Synergieeffekte zu heben. Somit auf der einen Seite Sicherheit garantieren, durch die agilen Strukturen aber auch schnell und flexibel zu agieren und Potenziale, z.B. der Digitalisierung, zu generieren, Produkte zu entwickeln und neue Geschäftsmodelle aufzubauen. 

Fazit:

Die Digitalisierung in der Wasserwirtschaft hat viele Facetten. Dabei geht es nicht nur darum, „mal eben“ digitale Produkte einzusetzen oder neue Softwarelösungen zu etablieren. Die digitale Transformation muss viel umfangreicher und ganzheitlicher betrachtet werden – bis hin zu strukturellen Veränderungen der Organisation. Das funktioniert nicht von heute auf morgen, sondern ist ein langfristiger Prozess, der über alle Ebenen hin betrachtet und begleitet werden muss. Dafür gibt es viele Ansätze und Ideen – aber jedes Unternehmen muss den für sich passenden individuellen Weg gestalten. 

Themen der Digitalisierung sind oft komplex und vielschichtig. Hier den Durchblick zu behalten, kann oft eine Herausforderung sein. BEULCO hat in Kooperation mit weiteren Herstellern und Dienstleistern (u.a. Pipersberg, Sewerin, Physec, symvaro) die sogenannten „Praxiswochen“ ins Leben gerufen. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen können sich Interessierte über ein gezieltes umfangreiches Informationsangebot freuen – Webinare, Schulungen, Präsentationen oder Whitepaper sind hier nur ein Teil des Angebots. Ab Februar starten die ersten Praxiswochen zum Thema „Digitalisierung in der Wasserwirtschaft“, in denen die hier erwähnten Themen nochmals vertieft werden. Informationen und Termine stehen bereits hier zur Verfügung: www.beulco.de/praxiswochen.