Die Verunsicherung ist groß – aber lösbar
Interview über die Herausforderungen der Materialumstellung von bleihaltigen auf bleifreie Legierungen
Lisa Berchter begleitet bei BEULCO Kunden durch den komplexen Prozess der Materialumstellung. Im Gespräch erklärt sie, warum viele Unternehmen verunsichert sind, welche Herausforderungen wirklich kritisch sind und wie ein strukturierter Ansatz Klarheit schafft.
Frau Berchter, Sie begleiten Unternehmen bei der Umstellung von bleihaltigen auf bleifreie Materialien. Mit welchen Herausforderungen kommen die Kunden zu Ihnen?
Das erste, was wir immer wieder erleben, ist eine grundsätzliche Verunsicherung. Die Unternehmen haben gehört, dass sich regulatorisch etwas tut, aber wissen oft nicht genau, was das konkret für sie bedeutet. Fragen wie "Trifft das überhaupt für uns zu?", "Ab wann müssen wir umstellen?" oder "Welche Regulatorik gilt eigentlich – EU-Recht oder nationale Bestimmungen?" stehen ganz am Anfang. Diese Unsicherheit ist völlig verständlich, denn die regulatorische Landschaft ist tatsächlich komplex und nicht immer eindeutig.
Wer in den Unternehmen initiiert denn üblicherweise das Thema Materialumstellung?
Das ist interessant – es gibt nicht den einen typischen Ausgangspunkt. Manchmal kommt der Anstoß aus der Beschaffung, die von regulatorischen Änderungen gehört hat. Häufiger aber ist es das Produktmanagement, das sich Gedanken über die Zukunftsfähigkeit der eigenen Produkte macht. Je nach Unternehmen sind auch Zertifizierungsstellen oder die Entwicklungsabteilung involviert. Manche Kunden kennen sich bereits gut aus und haben eine klare Vorstellung, andere stehen völlig am Anfang und fragen sich: "Was geht da überhaupt vor?"
Was sind denn die größten Sorgen und Ängste, die Unternehmen beschäftigen?
Die Sorgen sind vielschichtig, aber einige Muster wiederholen sich immer wieder. Da ist zunächst die Angst vor den Kosten – sowohl für die neuen Materialien als auch für die Umstellung der Produktion. Viele befürchten, dass bleifreie Legierungen deutlich teurer sind und sich das negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. Dann kommt die technische Unsicherheit: "Funktioniert unser Produkt mit dem neuen Material genauso gut?", "Können wir das überhaupt mit unseren Maschinen fertigen?" Und schließlich die zeitliche Komponente – die Angst, zu spät dran zu sein oder nicht rechtzeitig umstellen zu können.
Funktioniert unser Produkt mit dem neuen Material genauso gut?
Können Sie konkreter werden? Welche regulatorischen Hürden bereiten den meisten Kopfzerbrechen?
Ein großes Problem ist die Komplexität der verschiedenen Rechtsräume. EU-Recht ist das eine, aber in Deutschland gelten zusätzlich nationale Bestimmungen, die manchmal anders ausgelegt werden. Dazu kommen unterschiedliche Fristen und Übergangsregelungen. Viele Unternehmen fragen sich: "Welche Bestimmung gilt nun für uns?" Besonders verwirrend wird es, wenn Kunden in verschiedene Märkte liefern – was in einem Land noch erlaubt ist, kann in einem anderen bereits verboten sein. Diese Rechtsunsicherheit lähmt viele Unternehmen, weil sie Angst haben, die falsche Entscheidung zu treffen.
Wie gehen Sie mit dieser regulatorischen Verwirrung um?
Unser erster Schritt ist immer eine detaillierte Analyse der spezifischen Situation des Kunden. Wir schauen uns an: In welche Märkte liefert das Unternehmen? Welche Produkte sind betroffen? Welche Fristen sind relevant? Oft stellt sich heraus, dass die Situation weniger dramatisch ist als zunächst befürchtet. Viele Kunden denken, sie müssen sofort alles umstellen, aber in Wirklichkeit haben sie durchaus noch Zeit für eine durchdachte Planung. Diese Entzerrung schafft schon mal Ruhe und ermöglicht es, strategisch vorzugehen statt in Panik zu verfallen.
Alle Perspektiven unter einen Hut zu bekommen, ist oft eine Herausforderung.
Was passiert nach dieser ersten Klärung der regulatorischen Lage?
Dann kommt meist die nächste große Verunsicherung: die Materialauswahl. Die Kunden fragen: "Welche Legierung sollen wir denn nehmen?" Das ist nicht trivial, denn bleifreie Materialien haben andere Eigenschaften als die gewohnten bleihaltigen Legierungen. Hier teilt sich die Kundschaft: Das Produktmanagement sorgt sich um die technischen Eigenschaften – "Erfüllt das neue Material unsere Anforderungen?", "Funktioniert es mit unserem Produkt?" Gleichzeitig meldet sich die Beschaffung zu Wort und fragt nach den Preisauswirkungen. Diese beiden Perspektiven unter einen Hut zu bekommen, ist oft eine Herausforderung.
Können Sie ein konkretes Beispiel für diese Zielkonflikte geben?
Nehmen wir einen typischen Fall: Ein Kunde hat bisher Rotguss verwendet und steht vor der Umstellung. Das Produktmanagement identifiziert zwei technisch geeignete Alternativen – sagen wir Ecobrass und CW511. Beide erfüllen die technischen Anforderungen, haben aber unterschiedliche Kostenstrukturen. Ecobrass kostet vielleicht X Euro pro Kilogramm, CW511 aber Y Euro. Da meldet sich die Beschaffung und sagt: "Wenn die technischen Eigenschaften gleich sind, nehmen wir das günstigere." Aber so einfach ist es nicht, denn die Materialien verhalten sich in der Fertigung unterschiedlich.
Inwiefern unterschiedlich?
Das ist ein entscheidender Punkt, den viele Kunden zunächst übersehen. Bleifreie Materialien sind generell schwieriger zu zerspanen als bleihaltige, weil das Blei die Bearbeitung erleichtert – es wirkt wie ein natürlicher Spanbrecher. Ohne Blei müssen wir andere Wege finden. Wir haben systematische Zerspanungsversuche mit verschiedenen bleifreien Legierungen durchgeführt und dabei teilweise erhebliche Unterschiede festgestellt. Da geht es nicht um zwei Prozent – wir sprechen von Unterschieden in der Bearbeitungszeit von 20, 30, teilweise sogar 50 Prozent zwischen verschiedenen Materialien.
Das ist natürlich ein Kostenfaktor. Ein Material mag in der Anschaffung günstiger sein, aber wenn es doppelt so lange dauert, es zu bearbeiten, wird es unterm Strich teurer. Deshalb reicht es nicht, nur auf den Materialpreis zu schauen. Man muss die gesamten Fertigungskosten betrachten. Hier können wir unseren Kunden konkrete Zahlen liefern: "Mit Ecobras erreichen Sie eine Taktzeit von X Sekunden, mit CW 511 sind es Y Sekunden." Plötzlich sieht die Kostenkalkulation ganz anders aus.
Welche Rolle spielt dabei die zeitliche Planung?
Zeit ist oft der kritischste Faktor, wird aber häufig unterschätzt. Viele Kunden denken: "Wir tauschen einfach das Material aus, das kann ja nicht so lange dauern." Aber eine professionelle Materialumstellung dauert von der ersten Beratung bis zur Serienfreigabe zwischen acht Wochen und anderthalb Jahren – je nach Komplexität und Anzahl der Artikel. Die Vorlaufzeiten für Halbzeuge in neuen Legierungen betragen oft 6-8 Wochen, Werkzeuge müssen möglicherweise angepasst werden, und jeder Artikel muss neu bemustert und freigegeben werden.
Was raten Sie Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen?
Das Wichtigste ist: Fangen Sie früh an. Die regulatorische Lage ist oft weniger dramatisch als zunächst befürchtet, aber die Umstellung braucht Zeit und sollte sorgfältig geplant werden. Mein erster Rat ist immer: Lassen Sie uns gemeinsam schauen, was wirklich auf Sie zukommt. Welche Ihrer Produkte sind betroffen? Welche Fristen gelten tatsächlich? Oft stellt sich heraus, dass Unternehmen mehr Zeit haben, als sie denken.
Und dann entwickeln wir einen strukturierten Plan. Materialauswahl, Machbarkeitsstudien, Vorversuche – alles Schritt für Schritt. Besonders wichtig ist die enge Abstimmung zwischen allen Beteiligten: Produktmanagement, Beschaffung, Technik, Qualitätssicherung. Jeder hat andere Prioritäten, aber am Ende müssen alle an einem Strang ziehen.
Was ist Ihr wichtigster Rat für Unternehmen, die sich noch unsicher sind?
Scheuen Sie sich nicht, das Gespräch zu suchen. Die Verunsicherung ist verständlich, aber sie ist auch lösbar. Je früher wir ins Gespräch kommen, desto entspannter können wir die Herausforderung angehen. Wir analysieren gemeinsam Ihre spezifische Situation, klären die regulatorischen Anforderungen und entwickeln einen realistischen Zeitplan. Oft stellt sich heraus, dass die Umstellung zwar komplex, aber durchaus machbar ist.
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